Tim Ferriss: Der Mann, der alles kann?

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Wer ist Timothy Ferriss? Ein erfolgreicher Autor? Ein Entrepreneur? Ein Speaker? All diese Dinge beschreiben zwar, was Tim so tut. Sie werden ihm aber trotzdem nicht gerecht. Berühmtheit erlangte er mit seinem Buch “The 4-Hour Work Week“ (auf Deutsch: „Die Vier-Stunden-Woche“), in der er seinen radikalen Ansatz zur Unternehmensführung darlegt. Mittlerweile hat er eine Reihe von weiteren Beststellern geschrieben, deren Inhalt man so zusammenfassen kann: Maximale Ergebnisse bei minimalem Einsatz. Und da ist es Tim letztlich egal, ob es um Management, Bodybuilding, Kochen oder das Lernen einer Sprache geht. Schon der Titel seines ersten Buches hat zahlreiche Kritiker auf den Plan gerufen, die ihn seitdem begleiten. Die Frage ist: Haben sie Recht? Oder arbeitet Tim wirklich nur vier Stunden in der Woche?

Tims Kindheit im Speckgürtel von New York City

Geboren wurde Tim Ferriss am 20. Juli 1977 in Southhampton auf Long Island, was nicht weit von New York City entfernt ist. Dabei kam er sechs Wochen zu früh zur Welt, seine Überlebenschancen waren denkbar gering. Das interessierte ihn allerdings überhaupt nicht und er wuchs zu einem gesunden Kind heran. Seine Kindheit verbrachte er im benachbarten East Hampton, wobei er schon früh in seiner Schulkarriere Gefallen daran fand, bestehende Dinge in Frage zu stellen. Auf seine Frage, warum er überhaupt das Alphabet lernen soll, hatte seine Lehrerin keine überzeugende Antwort. Die Folge: Tim weigerte sich, die Buchstaben zu lernen.

Im Teenageralter nahm Tim seinen ersten Job als Putzkraft in einem Eisladen an. Dabei optimierte er seine Aufgaben so, dass er bereits nach einer Stunde mit den Aufgaben des Tages fertig war. Seinen Chef schien das nicht zu überzeugen, denn er war den Job bereits nach drei Tagen wieder los.

Während seiner Schulzeit absolvierte er einen Auslandsaufenthalt in Japan, der eine entscheidende Rolle für sein weiteres Leben spielen sollte. Tim sah sich eigentlich immer bei den Menschen, die große Probleme beim Sprachenlernen haben. Trotzdem wagte er den Schritt nach Japan, da seine Lehrer ihm versicherten, dass er dort Japanischunterricht haben würde. Tatsächlich war das auch der Fall, allerdings nicht so, wie Tim es sich vorgestellt hatte: Anstatt Japanisch als Fremdsprache zu lernen, saß er mit gleichaltrigen japanischen Schülern in normalen Schulstunden. Es schien unmöglich zu sein, die komplexe Sprache zu beherrschen.

Durch einen Zufall entdeckte Tim allerdings ein Poster, welches die 1945 Zeichen des japanischen Grundwortschatzes abbildete. Mit diesen Zeichen war es möglich, die meisten Zeitungen und Zeitschriften zu lesen. Das war die Grundlage, mit der er innerhalb kürzester Zeit immense Fortschritte im Sprachenlernen machte. Dabei wurde ihm immer klarer, dass es beim Sprachenlernen nicht auf das Talent ankam, sondern stattdessen auf die richtigen Methoden. Sein Vorgehen sollte es ihm später ermöglichen, Mandarin in sechs Monaten, Deutsch in drei Monaten und Spanisch in acht Wochen zu lernen.

Tims nicht ganz perfekte Studienzeit

Tim studierte an der Princeton University in New Jersey „East Asian Studies”, was zu seinem Aufenthalt in Japan passte. Den Weg zu seinem Studienplatz beschreibt er genauer in seinem Hörbuch „How I Beat the Ivy League“, welches er selbst produzieren lies. Von den fünfhundert auf Kassette bespielten Hörbüchern verkaufte sich allerdings kein einziges.

Tatsächlich sah es so aus, als hätte Tim keine Chance, einen Studienplatz an der Eliteuniversität zu erhalten. Seine Noten und sein Ergebnis beim Zulassungstest waren einfach zu schlecht. Daher suchte er nach Wegen, um sich von den anderen Bewerbern abzuheben. So legte er einen besonderen Fokus auf das Essay, das Teil der Bewerbungsunterlagen war und beschrieb darin zum Beispiel seine Erfahrungen beim Besuch eines japanischen Sumo-Trainings.

Neben seinem letztendlichen Studienfach interessierte sich Tim auch für Neurowissenschaften, konnte sich aber nicht mit den Tierversuchen im Studium anfreunden.

Was schon bei seinem Aufenthalt in Japan sichtbar war, setzte sich auch jetzt im Studium fort: Tim begeisterte sich dafür, neue Dinge auf die möglichst effizienteste Weise zu lernen. Er beschäftigte sich unter anderem mit Kampfsportarten oder verschiedenen Tanzrichtungen. Im Bereich Speed Reading bot er in Princeton sogar Seminare für Studenten an, mit denen er durchaus erfolgreich war. Allerdings gab er das Projekt auf, da es ihn langweilte, immer wieder das Gleiche zu unterrichten. Tim sah seine Zukunft nicht im Bereich Dienstleistungen. Also musste ein anderes Projekt her, das sich auch bald finden sollte.

Während einer Pause in seinem Studium probierte Tim nicht nur verschiedene Jobs aus, sondern gewann auch ein Kickboxing-Turnier mit zwei sehr eigentümlichen Methoden. So nutzte er extreme Dehydrierungstechniken, um beim Wiegen einem Tag vor einem Kampf in eine leichtere Gewichtsklasse einsortiert zu werden. Außerdem hatte er die Regeln genau studiert und festgestellt, dass ein Kämpfer automatisch disqualifiziert wird, wenn er dreimal den Ring verlässt. Das machte er sich zunutze und begann damit, seine Gegner aus dem Ring zu schubsen. Tatsächlich reichte das aus, um das Turnier zu gewinnen. Tim zog daraus eine wichtige Lektion: Man muss gar nicht der Beste in etwas sein, um zu gewinnen. Es kann auch ausreichen, einfach nur die Regeln zu lesen.

Der nicht ganz normale Karriereweg von Tim Ferriss

Nach seiner Studienzeit ging Tim nach San Francisco und begann dort, im Sales Department eines Unternehmens zu arbeiten. Wie bei vielen anderen Entrepreneuren vor ihm war dies auch für Tim nicht wirklich erfüllend. Er störte sich vor allem an der Ineffizienz der Arbeitsabläufe im Unternehmen und sah auch in seinem Gehalt Optimierungspotential. Wahrscheinlich hätte ihn aber auch ein perfekter Job mit traumhafter Bezahlung nicht davon abgehalten, sein eigenes Ding zu starten.

Auf der Suche nach einem Ausweg entdeckte Tim die Möglichkeiten im Bereich Online Business und startete sein eigenes Projekt, BrainQUICKEN, ein Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln. Dabei sourcte er schon zu Beginn eine Vielzahl von Tätigkeiten aus. Schnell konnte er diesem Projekt dabei die gesamte Aufmerksamkeit widmen, denn er wurde von seinem Arbeitgeber kurz nach der Gründung entlassen. Und das tat er auch: Wie viele andere Gründer arbeitete er rund um die Uhr an seinem Projekt und konnte so mehrere zehntausend Dollar Umsatz pro Monat generieren. Allerdings war er mit der neuen Situation alles andere als zufrieden: Was sollte es nützen, sein eigenes erfolgreiches Unternehmen am Start zu haben, wenn man dafür rund um die Uhr arbeiten musste?

Um sich sein weiteres Vorgehen überlegen und Abstand zu seiner Arbeit gewinnen zu können, flog Tim nach Europa. Dabei wurde ihm klar, dass er ohne Arbeit nichts mehr mit sich anzufangen weiß, denn seine gesamte Identität und sein Leben bestanden aus nichts anderem mehr. Tim besann sich also wieder auf die Lehren, die er beim Japanisch-Lernen gezogen hatte: Dinge so effizient wie möglich zu erledigen.

Dafür wählte er verschiedene Ansätze, zum Beispiel eine radikale zeitliche Beschränkung beim Beantworten von E-Mails. Außerdem sourcte er alle Aufgaben, die er nicht unbedingt selbst erledigen musste, an Assistenten aus. Aus einem Kurztrip von vier Wochen wurde schließlich eine Reise um die Welt von über zwei Jahren, auf denen Tim eine Vielzahl von Methoden entwickelte, um Dinge zu lernen und sein Business zu automatisieren.

Dabei lies er es sich auch nicht nehmen, viele verschiedene Länder in Europa und Südamerika zu bereisen. Seine Erfahrungen entsprachen dabei nicht immer denen eines normalen Touristen. So begann er in Argentinien damit, Tango-Unterricht zu nehmen. Als Anfänger gestartet, schaffte er es bis ins Halbfinale der Weltmeisterschaften und mit einem Weltrekord im Tango ins Guinness Buch der Rekorde.

„The 4-Hour Work Week“: Der Start einer ganzen Bestseller-Reihe

Seine Erfahrungen schrieb Tim in dem Buch nieder, das ihn weltweit berühmt werden lässt: „The 4-Hour Work Week“, auf Deutsch „Die Vier-Stunden-Woche“. Das Buch wurde in vielen Ländern zu einem Bestseller. Es war aber erst der Anfang von Tims Karriere.

Im Jahr 2010 verkaufte Tim sein Unternehmen BrainQUICKEN. Im selben Jahr erschien auch sein zweites Buch: „The 4-Hour Body“, auf Deutsch „Der 4-Stunden-Körper“, in welchem Tim ein Ernährungs- und Trainingskonzept beschreibt. So wie man es bereits von ihm gewöhnt war, befanden sich im Buch sowohl einfache Tipps und Tricks, als auch hochkomplexe Methoden, die kontrovers diskutiert worden und werden.

Auch bei seinem dritten Buch blieb sich Tim bei der Namensgebung treu, es trägt den Titel „The 4-Hour Chef“ und stellte das Kochen in den Mittelpunkt, hatte allerdings noch einige weitere Themenschwerpunkte, zum Beispiel im Bereich des Lernens.

Seine zwei aktuellsten Bücher tragen die Titel „Tools of Titans“ und „Tribe of Mentors“, in welchen sich Tim ausführlich mit erfolgreichen Menschen in unterschiedlichen Bereichen des Lebens und ihren Methoden beschäftigt und diese aufschreibt, beziehungsweise erfolgreiche Menschen selbst in Interviews zu Wort kommen lässt.

Alle Bücher von Tim haben ein großes mediales Echo ausgelöst und sowohl Fans, als auch Kritiker auf den Plan gerufen. Sowohl „The 4-Hour-Body“, als auch „The 4-Hour-Workweek“ gehören auf dem Kindle zu den Büchern mit den meisten Lesermarkierungen.

Was macht Tim Ferriss sonst noch so?

Als Investor und Berater findet sich Tim zum Beispiel im Umfeld von Uber, Shopify, Alibaba, Duolingo und Evernote. Allerdings hat er sich aus diesem Bereich größtenteils zurückgezogen, da er die Arbeit als zu stressig empfindet und den eigenen Einfluss als sehr gering einschätzt. Tim hat außerdem in verschiedenen Fernsehformaten mitgespielt, in welchen es um Experimente oder das Lernen neuer Dinge geht. Im Charity Bereich ist er vor allen in Bildungsfragen engagiert.

Ein Lieblingsformat scheint Tim im Podcast gefunden zu haben: „The Tim Ferriss Show“ ist einer der erfolgreichsten Podcasts auf iTunes. Zu Tims Gästen gehörten bisher Arnold Schwarzenegger, Jamie Foxx, Tony Robbins und LeBron James. Das Ziel der Show ist es laut Tim, die Grundlagen erfolgreicher Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen herauszufinden, ganz egal, ob es um Business, Sport oder Kunst geht.

Auch auf seinem eigenen Blog und auf Twitter ist Tim aktiv.

Tim hat eine ganze Reihe von Auszeichnungen erhalten und es auf viele Listen geschafft, zum Beispiel auf die Fortune‘s “40 under 40”. Auch als Speaker hat er sich einen Namen gemacht und schon bei Google, Microsoft, an der Harvard Business School, dem MIT und vielen weiteren Unternehmen und Bildungseinrichtungen geredet. Auch zwei TED-Talks gibt es von ihm.

2017 zog Tim vom Silicon Valley nach Austin in Texas und kritisierte im Zuge dessen seine alte Heimat, die er als Filterblase mit zu wenig Kontakt zum Rest der Welt beschrieb.

Tim Ferriss: Entrepreneur und Life Hacker oder einfach ein sehr guter Marketer?

Tims Leben mutet auf den ersten Blick recht chaotisch an. Das liegt daran, dass es ihm anscheinend nicht darum geht, sich auf eine Sache zu beschränken, sondern darum, möglichst viele Dinge auf die effizienteste Weise umzusetzen und zu beherrschen. Man könnte also sagen, dass der Mittelpunkt seines Lebens das Ausprobieren und Lernen von neuen Dingen ist. Dabei hat Tim einen Heidenspaß daran, bestehende Konventionen und Regeln zu umgehen. Das macht ihn zu einer polarisierenden Persönlichkeit mit jeder Menge Fans und Kritikern.

Der Titel seines Buches “The 4-Hour Work Week“ soll provozieren, klar. Im Endeffekt hat Tim damit seinen radikalen Ansatz, Aufgaben zu delegieren und die eigene Arbeit auf das Notwendigste zu beschränken, aber sehr gut beschrieben. Ein Workaholic wie er nutzt die freie Zeit aber natürlich nicht, um in der Hängematte zu liegen, wie es auf dem Cover der „4-Hour Work Week“ abgebildet ist, sondern um einfach noch mehr Dinge anzugehen, zum Beispiel, um Mongolisch zu lernen oder durch die Antarktis zu wandern (das hat Tim zwar noch nicht gemacht, es ist ihm aber absolut zuzutrauen).

Interessant ist die große Menge an Themen, die er in seinen Büchern behandelt. Dabei liefert er manchmal einfache Lösungen auf zunächst komplex anmutende Fragen und Probleme, behandelt andere Sachen aber extrem ausführlich. Das erklärt, warum „The 4-Hour Chef“ nicht einfach nur ein Kochbuch ist, sondern dazu noch über Überlebenstaktiken in der Wildnis berichtet, Tipps für das Häuten einer geschossenen Taube gibt oder ganz generelle Lerntechniken beschreibt.

Tim betritt dabei viele unterschiedliche Themengebiete, in denen verschiedene Experten das Sagen haben. Diese sind mit Tims Strategien mal mehr, mal weniger einverstanden. Auf Amazon finden sich zu jedem seiner Bücher sowohl Lobeshymnen, als auch absolute Verrisse.

Klar ist aber auf jeden Fall: Tim hat eine Menge erlebt, viele Dinge gemeistert und darüber erfolgreich eine Reihe von Büchern beschrieben. Dass er dabei exzellent darin ist, sich selbst zu vermarkten, steht außer Frage. Eine erste eigene Meinung zu ihm kann man sich nach seinen TED-Talks oder dem Hören von ein paar Podcast-Episoden bilden. Und ganz sicher wird man wieder von ihm hören, denn das nächste Projekt ist garantiert schon in Planung.

 

Informationen zum Autor

Hannes Jarisch

Hannes ist Redakteur bei Startstories. Seine Brötchen verdient er als Online Entrepreneur und Blogger. Er besitzt einen Master in BWL und einen Bachelor in Politikwissenschaft.

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